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Haushaltsrede der Fraktion DIE LINKE. Velbert 2016

DIE LINKE, Fraktion im Rat der Stadt Velbert: Harry Gohr

 

Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste


Zunächst möchte ich mich erst einmal für die gute Zusammenarbeit bei der Verwaltung bedanken.
Trotz Personalknappheit haben wir immer ein offenes Ohr gefunden und Fragen wurden zu unserer Zufriedenheit beantwortet.


Wieder einmal haben wir uns zusammen gefunden um den HH zu verabschieden.
Wie in den letzten Jahren geht es auch in diesem Jahr wieder um das Sparen oder sagen wir besser das Kürzen und um einen ausgeglichenen Haushalt. Einem HH, der durch den Knebelvertrag „Stärkungspakt“ nie ausgeglichen sein wird - gegen den wir uns immer ausgesprochen haben. Ein HH ist noch nie durch die Reduzierung von Ausgaben saniert worden.
Das ist neoliberales Wunschdenken.
Privatisierung oder Teilprivatisierung ist gewollt, obwohl mittlerweile auch gesamtgesellschaftlich erkannt wird, dass dies überholte Modelle sind, die unseren Lebensstandard im Gesamten verschlechtern.


Leider übernimmt die SPD und CDU der Stadt die Landes- und Bundespolitik und sorgt nicht dafür, dass Einnahmen ausreichend aufgestockt werden.
Die Städte brauchen mehr Geld und es wäre die Pflicht jeder Partei, die Finanzierung von Bund und Land einzufordern.


Wir brauchen darüber hinaus aber auch ein weiteres Mehr im Einnahmebereich, z. B. die Anhebung der Gewerbesteuer oder einfach die Einhaltung von Steuer-Fristen aller Unternehmen gleichermaßen.


Herr Lukrafka, Sie haben Ihre Rede mit einem Zitat begonnen und ich möchte Ihnen daher zu Beginn meiner Rede mit einem Zitat antworten:
Jede Krise ist auch eine Chance! Die Chance besteht darin, die gemachten Fehler zu erkennen und sie nicht zu wiederholen!
Oder wie Konfuzius sagte: "Wer nicht an die Zukunft denkt, wird bald große Sorgen haben."


Doch beginnen wir nicht mit der Zukunft, sondern schauen wir erst einmal in die Vergangenheit bzw. Gegenwart: Es gibt einige Projekte, die auch die LINKE als Verbesserung erfreut wahrgenommen hat. Sei es die Neugestaltung des Brunnen in Neviges oder das Jugendzentrum in der Höferstraße, das ausgebaut, erneuert und nun bald wieder ein zentraler Anlaufpunkt der jungen Generation sein wird.
Wir begrüßen die Neugestaltung des Offers und die Beibehaltung des Gedenksteins der Opfer des Faschismus an zentraler Stelle - was auf unsere Initiative hin geschah. Zudem freuen wir uns über die Neu-Bespielung des Bürgerhauses Langenberg.


Leider sind es nur kosmetische Korrekturen, denn die nachhaltige Entwicklung bleibt auf der Strecke. Noch immer wird bei der Gewerbeplanung davon ausgegangen, dass die Industrie so weiter agieren wird wie bisher, Wirtschaftswachstum ist das Allheil-Mittel. Es wird beschlossen Gewerbeflächen zu erschließen, obwohl in Zukunft der Wind aus einer ganz anderen Richtung wehen wird.


Dazu möchte ich einfach mal das Stichwort „Industrie 4.0“ in den Raum werfen und darauf hinweisen, dass die Erschließung neuer Gewerbeflächen, auch im Hinblick auf diese Entwicklung kritisch gesehen werden muss, da durch diese neue Technologie gerade Kleinbetriebe existenziell bedroht sind und Arbeitsplätze wegfallen werden.


Auch die Stadt Velbert und somit auch der Rat wird sich in Zukunft mit dem Thema „Industrie 4.0“ beschäftigen müssen, der industriellen Revolution, die auch oder soll ich sagen gerade in Deutschland ca. 50 % aller Arbeitsplätze im Bereich Büromanagement und Verwaltung wegrationalisiert. Bei Hilfskräften und Facharbeitern im Bereich Konstruktion und Maschinenbau wird mit einer Reduzierung von Stellen bis zu 70 % gerechnet.


Das sind Zahlen, von denen in DAVOS und im „Handelsblatt“ berichtet wird – also keine Szenarien linker Theorien.


Und meine verehrten Damen und Herren, das sind Zahlen, die maßgeblich mit dem  Arbeitsplatz-Profil unserer Stadt kollidieren werden.
Künstliche Intelligenzen und Roboter werden den Menschen die Arbeit wegnehmen.


Der Gefahr, dass Arbeitsplätze im großen Ausmaß vernichtet werden, muss mit allen Mitteln entgegen gewirkt werden.
Also ist "ein weiter so wie bisher" wirklich sinnvoll oder müssen wir uns nicht auch neuen Ideen öffnen, die die Existenzsicherung der Menschen anders ermöglicht.


Auf der Agenda muss also stehen: Der soziale Wohnungsbau für Familien, Alleinstehende und finanziell Schwache und die Umstrukturierung von Schulen. Wir brauchen nicht nur Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen, sondern vor allem bezahlbare Mieten.
Zur Zeit steht dies sowieso auch deshalb an, da wir weiterhin mit Flüchtlingen und der Verarmung von Menschen, speziell von Kindern, umgehen müssen. Schließlich haben wir in unserer Stadt zur Zeit 220 Kinder, die in Armut leben und weltweite Krisen lassen nicht wirklich hoffen, dass das Schlimmste im Bereich "Menschen auf der Flucht" überstanden ist.
Nur eine kurzfristige „Schwarze Null“, selbst wenn sie eines Tages erreicht würde, kann daher langfristig nicht unser erstes Ziel sein.


Es muss auch weiterhin dort investiert werden, wo die Attraktivität gemessen wird. Und da sieht die LINKE das Potenzial halt nicht nur in Wirtschaft, Gewerbe und Wachstum, sondern auch bei der nachhaltigen Gestaltung der Arbeits- und Lebenswelt.
Attraktivität wird aber auch daran gemessen, wie grün eine Stadt ist, wie neue Energien eingesetzt werden und wie ökologisch, fair und nachhaltig gehandelt wird.


Jetzt haben wir viel groß gedacht. Also brechen wir unsere Überlegungen auf unsere anliegende Stadt- und HH-Planung ‘runter.
Hier wird uns heute ein HH vorgelegt, der ausgeglichen sein soll, aber in Wirklichkeit mit 120 Millionen an Liquiditätskrediten über Wasser gehalten wird.
Durch Ihren Stellenabbau im Verwaltungsbereich hat die Stadt aber wahrscheinlich gar nicht mehr, und in Zukunft um so weniger, das Potenzial und die Kapazitäten um Visionen zu entwickeln und umzusetzen. Fachpersonal wird wegrationalisiert – und das auf Kosten des Service, der Leistung und der Menschen, die diesen Einschnitt nun mit reduzierter Personalkraft bewältigen müssen.
Wir sehen es als positiv, dass die Stadt wieder mehr Auszubildende einstellen möchte, aber auch denen fehlt dann die langfristige Sicherheit.
Die Schließung des Bürgerbüros wurde in Neviges glücklicherweise gerade noch einmal abgewehrt. Aber anderer Orten werden Service-Leistungen auch weiterhin gekürzt oder gar gestrichen.


Kurz gesagt: Die immer weitergehenden Streichungen an Personal und an kommunalen Einrichtungen haben dazu geführt, dass die Lebensqualität in Velbert leidet.
Trotzdem halten Sie, Herr Bürgermeister, weiter an Ihrer Sparlegende fest.


Wir sollten uns auch mehr Attraktivität zum Ziel setzen beim Umbau aller Stadtteile: Sei es Langenberg, Neviges – wo gerade die denkmalgeschützte Stadthalle verfällt und abgerissen wird – oder Mitte, wenn wir uns die Fußgängerzone anschauen: Wird die Kaufkraft der Bevölkerung ausreichen um auch bestehende Geschäfte und die Stadtgalerie zu erhalten?


Suchen wir Lösungen für die Umwandlung des Schloss Hardenberg. Eine Kinder- und Jugendakademie könnte ein wahrer Anziehungspunkt für junge Menschen sein, ein Ideenpool für neue, technologisch orientierte Projekte, wie sie uns durch die industrielle Veränderung bald abverlangt werden könnten.


Ermöglichen wir unseren Kindern das Lernen in moderner Umgebung, nehmen sie mit in eine andere Zukunft – für die es vielleicht nicht viel mehr braucht als eine zweite Gesamtschule. Seit Jahren fordert die LINKE diese und wir hoffen, dass nicht neue Hindernisse dies verhindern. Schließlich wollen wir ja kein Kind zurück lassen, wie Frau Kraft sagt und zählt nicht vor allem der Elternwille? Dieser wird seit Jahren missachtet.


Wir setzen uns auch weiterhin für den Schul- und Breitensport ein und kritisieren die Streichung von dezentralen Sportstätten. Statt dessen wird das Millionen-Projekt Stadion geplant und das bei unseren klammen Kassen.


Vielleicht mag der Haushalt auf dem Papier 2017 ausgeglichen sein, aber wie steht’s mit der Nachhaltigkeit?
Aus dem gerade Gesagten ergibt sich, dass wir dem HH nicht zustimmen werden, da Kürzungsmaßnahmen keine langfristige Lösung herbeiführen.
Notwendig sind daher ausreichende Einnahmequellen durch Bund und Land um die kommunale Selbstverwaltung zu gewährleisten.


Um Ihrer Bitte am Ende entgegen zu kommen, Herr Bürgermeister:
Gerne schauen wir mit Ihnen gemeinsam nach vorne und packen die großen Aufgaben an. Wir aber visieren ein Ziel an, dass eine sozial starke, liebens- und lebenswerte Stadt Velbert erschafft. Daran möchten WIR mit Ihnen arbeiten - gemeinsam.


Liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.